Mittwoch, 4. Dezember 2019

Chemotherapie - Willkommen im Kopfchaos

Hallo zusammen,

hier habe ich Euch bereits von meinen Chemo-Nebenwirkungen erzählt. Dabei ging es vor allem um die Auswirkungen auf den Körper. Heute möchte ich Euch davon berichten, was die Chemotherapie in meinem Kopf angerichtet hat. Denn auch da war sie nicht untätig.

Bei mir begann es damit, dass ich mich plötzlich sehr krank gefühlt habe. Das hat in meinem Kopf für ziemliches Chaos gesorgt. Die Chemotherapie sollte mir doch im Kampf gegen den Krebs helfen. Warum sorgte sie nun dafür, dass es mir so schlecht ging?

Die vielen Nebenwirkungen machten mich sehr ängstlich. Ich war mir unsicher, ob manche noch im normalen Rahmen waren oder, ob man vielleicht etwas unternehmen müsste. Oder, ob es vielleicht gar keine Nebenwirkungen waren, sondern etwas anderes. Waren das noch normale Kopfschmerzen oder hatten sich vielleicht Hirnmetastasen gebildet? Warum schmerzte meine Brust plötzlich? Wuchs der Tumor etwa?
All diese Ängste hatte ich vorher nicht, aber plötzlich waren sie da und es hat Zeit gebraucht, sie in den Griff zu bekommen.

An dieser Stelle möchte ich sagen, dass solche Ängste niemals belächelt werden oder als hypochondrisch abgestempelt werden sollten (weder von Betroffenen, noch von Nicht-Betroffenen). Diese Ängste sind real und sie sind nicht unbegründet. Menschen sterben an (Brust-)Krebs. Es ist also vollkommen normal, dass da auch mal Angst durchkommt.
Natürlich sollte man sich nicht in ihnen verlieren und panisch werden. Aber genauso falsch wäre es, sich gar nicht mit ihnen auseinanderzusetzen oder sich vielleicht sogar für seine Ängste zu schämen.

Negative Gedanken haben mich vor allem an den Tagen heimgesucht, an denen es mir nicht gut ging.
Eben noch stand ich in der Blüte meines Lebens. Hatte einen Job, der mir Spaß gemacht hat, bin gerne ins Kino oder Essen gegangen. Jetzt bestanden manche Tage aus dem Pendeln zwischen Sofa und Toilette, weil ich mich ständig übergeben musste.
Es fühlt sich nicht gut an, so plötzlich aus seinem bisherigen Leben gerissen zu werden.
Und es ist ja nicht so, dass das nächste Woche alles wieder vorbei ist. Ich bin seit Anfang Juli krank geschrieben. Das ist eine sehr lange Zeit. Und mit dem Ende der Chemotherapie ist ja nicht von heute auf morgen alles wieder normal. Die Behandlung geht noch weiter und einige Nebenwirkungen werden mich auch noch längere Zeit begleiten.

Natürlich hatte ich nicht nur schlechte Tage während meiner Chemotherapie. An den guten Tagen konnte ich etwas mit dem Göttergatten unternehmen, mich mit Freunden treffen, im Supermarkt einkaufen,... aber trotzdem ist das Leben, das man nun führt, ein anderes. Ich denke, dass mein Leben nie wieder so sein wird, wie vor der Erkrankung. Heute ist das eine für mich völlig wertfreie Feststellung. Aber an schlechten Tagen habe ich meinem früheren Leben hinterher geweint. Teilweise auch sehr laut.

An diesen guten Tagen musste ich immer sehr stark aufpassen, dass ich mich nicht übernehme. Ich hatte dann immer ziemlichen Nachholbedarf und wollte am liebsten alles auf einmal machen. Spazieren gehen, kochen, Hauskram erledigen (ja, ich habe mich darüber gefreut, wenn ich fit genug zum Staub saugen war), Ausflüge planen,... Das funktioniert nicht so gut und ich musste lernen, mir meine Kräfte gut einzuteilen. Etwas, was ich vor meiner Erkrankung nie musste und daher sehr ungewohnt für mich war.

Ebenfalls ungewohnt war die Tatsache, dass ich plötzlich angefangen habe, alle möglichen Dinge zu vergessen. Ich musste mir alles aufschreiben, weil mein Gedächtnis zu einem Sieb mutiert war. Neu waren für mich auch die starken Konzentrationsschwierigkeiten. Ein Buch lesen? Undenkbar, ich hatte ja teilweise schon Schwierigkeiten mit kürzeren Zeitungsartikeln. Es fiel mir phasenweise auch schwer, Filme oder Serien zu schauen, weil ich einfach der Handlung nicht folgen konnte.
Man spricht bei diesen Beschwerden vom sogenannten „Chemobrain“. Ob diese Beschwerden allerdings wirklich von der Chemotherapie kommen, ist bisher noch ungeklärt. Vielmehr gleicht es wohl einer posttraumatischen Belastungsstörung, denn immerhin handelt es sich bei einer Krebserkrankungen um einen Ausnahmezustand und da herrscht auch im Kopf ziemliches Chaos.

Mit der Zeit bin ich unsicher geworden, was mich selbst betrifft. Ich habe mich unattraktiv gefühlt und ich war sehr neidisch auf Menschen, die Haare auf dem Kopf und eine gesunde Farbe im Gesicht hatten.
Ich war auch neidisch auf Menschen, die arbeiten gehen und Dinge in ihrer Freizeit unternehmen konnten. Es hat mich sehr wütend und traurig gemacht, dass ich quasi raus war. Ich hatte das Gefühl, dass ich nicht mehr dazugehörte und fühlte mich ausgeschlossen. Es war teilweise schwierig, Verabredungen zu planen, weil ich ja nie wusste, ob es mir an dem Tag gut oder schlecht gehen würde. Ich konnte nicht zu bereits gebuchten Veranstaltungen gehen, musste Termine verschieben oder direkt ganz absagen,... Ich hatte das Gefühl, als würde ich alles verpassen. Der Krebszug hatte mich direkt aufs Abstellgleis verfrachtet.

Dazu muss ich sagen, dass mich niemand jemals bewusst ausgeschlossen hat. Diese Gedanken gingen komplett von mir aus, waren plötzlich in meinem Kopf und haben es sich dort gemütlich gemacht. Auf eine sehr unangenehme Art.
Ich wünschte, ich könnte sagen, dass ich es geschafft habe, diese Gedanken abzustellen. Aber das wäre gelogen. Diese unsicheren Tage habe ich auch heute noch. Sie sind weniger geworden, aber sie sind nicht verschwunden.
Natürlich will ich nicht, dass der Krebs aus mir eine unsichere Heulsuse macht. Ich versuche daher, mich nicht zu sehr auf diese Gedanken einzulassen. Auch, weil sie ja unbegründet sind, weder Hand noch Fuß haben. Die kleinen Biester. Es gelingt mir mal besser und mal schlechter.

Deswegen habe ich leider auch keinen klugen Ratschlag für Euch, falls es Euch genauso gehen sollte. Aber vielleicht habt Ihr ja Tipps für mich.

Bis bald, Eure Kati

2 Kommentare:

  1. Beim Lesen habe ich mich in fast allem selbst gesehen. Danke fürs teilen deiner Gedanken 😘

    AntwortenLöschen
    Antworten
    1. Danke für Deinen Kommentar 😘
      Gut zu wissen, dass es anderen auch so bzw. ähnlich geht.

      Löschen